indien – berg und talfahrt

berg und talfahrt

der weg nach tiruvanamalay führt vorbei an dem kleinen ort gingee, der nur in den französichen reisführern erwähnt wird. eine unbeschreiblich grosse anlage erstreckt sich über zwei hügel aus granitgärten und eine immense fläche. gingee ist als das beeindruckendste fort indiens bekannt.

es gibt reste von vorratshäusern, tempeln, elephantenbad, kasematten oder haremszimmer, das ist nicht ganz klar. riesige banjontrees stehen in den begrünten flächen. im äusseren, dennoch ummauerten bereich wurde landwirtschaft betrieben. teile des forts thronen auf den hügeln und sind nur über endlose stufen zu erreichen. das fort gilt als besonders schönes beispiel der militärarchitektur des mittelalters. wie nicht anders zu erwarten toben heute unmengen kleiner äffchen herum und die unvermeidlichen süssen kleinen hunde, noch richtige babys, aber schon wahnsinnig flink und neugierig.

mitte des 18. jahrhunderts wehte hier die französische flagge für 11 jahre, bevor die franzosen das gebiet 1761 an die engländer abgeben mussten.

 

mittags erreichen wir das sporsa resort – wirkllich ein refugium in der landschaft, weg vom ort mit blick in die berge. eine oase – alkoholfrei. gerade hier würde ein sundowner überzeugen. ausgerichtet ist es offensichtlich für spirtuell angehauchte gäste auf der suche nach sich selbst.

voll der erwartung nach der beschreibung im reiseführer machen wir uns auf den weg zum tempel in tiruvanamalay. wieder einmal shiva. es beginnt damit, dass die pilger offensichtlich “alle” gegen die tempelmauern pieseln, dementsprechend stinkts um den ganzen tempel herum. die tempelanlage, obwohl riesig mit drei ineinander liegenden mauern, wasserbecken und elefanten, ist mit wellblech und verkaufsbuden verschandelt. es kommt nicht das gefühl auf in einem heilgtum zu sein. es ist die übliche kirmes, zu der unmengen pilger in ihren bunten bussen reisen. auf dem weg zu den inneren tempeln wird blechgeschirr verkauft, wie es sich für eine dult gehört und süssigkeiten, süssigkeiten, süssigkeiten. unsere augen können sich nicht laben und wir sind enttäuscht. grösse allein ist halt nicht alles. auf dem rundweg kommen wir nicht nur vorbei an weiteren devotionalienhändlern, sondern auch an verkäufern von geopferten haaren. ein riesen geschäft bei den tempeln. diese sitte des haaropfers ist für mich genauso widerlich wie diese orange gekleideten “angeblichen”  priester, die gelangweilt im tempel rumsitzen. aber alkohol ist im ganzen ort verboten, so heilig sind sie.

wir fahren mit sirdosi, unserem begleiter, von hotel zu hotel um an ein illegales bier zu gelangen und er kommt uns vor wie josef auf der herbergssuche. an der vierten stelle werden wir fündig und schmuggeln es in den zimmer eischrank. das resort ist von einem spanischen architekten so schön gestaltet, aber an jeder ecke gängeln einen verbotschilder und warnhinweise. man fühlt sich wie bei radikalen amis – die tageskarte bietet hamburger und pommes! aber sonst machen sie einen auf öko und ashram. beim abendessen sind die anderen gäste aus ihrem ashram zurück, teils mit ihren einheimischen meditationsbegleitern. sie laden sich unmengen von brei und fladen auf die ohnehin ausladenden hüften. zu unserer verwunderung sind auch italiener dabei – haben die nicht von ihrer religion schon die nase voll? solch ein ort muss doris dörrie zu ihrem buch “was machen wir jetzt” angeregt haben.  p.s. die herausgebacken blätter schmecken köstlich! – nur mir.

karma

der nächste tag beginnt mit einem 2 km aufstieg – barfuß – zu der höhle über dem ashram, um einen blick auf die landschaft und die riesige tempelanlage zu bekommen. bei der luftfeuchtigkeit sind wir im nu patschnass. der blick ist beeindruckend, aber von meditativer ruhe keine rede, das gehupe und getröte von den strassen dringt bis hier herauf. dafür sitzen jede menge europäischer und amerikanischer jünger in weiten kleidern herum und meditieren. einige nutzen auch die meditationshalle. wir nennen das jetzt “ommen”. beim abstieg bekomme ich ein aussergewöhnliches kompliment eines sich mühsam auf den berg schleppenden amerikaners ” nice karma”.

nach der dringend fälligen dusche und einem kleinen ashram-frühstück gehts weiter nach cidabaram. wir kommen an einem riesigen gemauerten wasserbecken vorbei, beschütz von einer ebenso riesigen bunt bemalten nandi figur, die den jugendlichen schon mal als sprungbrett dient. pilger machen hier halt, waschen sich und ihre roten saris, die jugendlichen verwandeln das bad in ein ausgelassenes spiel. frauen gehen mit den saris ins wasser, die danach auf der erde zum trocknen ausgebreitet werden. ein farbrausch in den farben der pilger, rot und orange. mindestens acht busse sind hier versammelt, und es sieht aus als würden sich die pilger nicht nur in der familie, sondern mit der ganzen dorfgemeinschaft auf die reise machen. bei dem bad, kurz vor ihrem ziel sind sie schon zwei tage unterwegs.

ein mittagsstop in pondicherry (allein der name) verwöhnt uns nochmal mit fisch und schrimps (habe ich schon erwähnt , dass ich mit einem leidenschaftlich hummer und fisch essenden fotografierenden männlichen wesen unterwegs bin?)

der nataraja tempel in chidabaram ist der einzige tempel, der im besitz der bramanen ist. er wird voll belebt und führt sechs mal am tag eine sehr ergreifende feuerzeremonie durch, mit unterschiedlichstem glockengeläut und trommeln. als ungläubige dürfen wir hier in den inneren bereich, leider sind keine fotos erlaubt. verehrt wird eine shivafigur, die den kosmischen tanz darstellt. die vier hände des gottes stehen in etwa für die erschaffung der welt, mit dem symbol der trommel die das weibliche und männliche darstellt, das wissen mit dem symbol der flamme, das behüten der schöpfung und das gleichgewicht. in der zermonie wird der feuerkreis als element aufgenommen. die säulenhallen, die den inneren tempel umgeben sind von einer erhabenen schönheit und haben eine mystische ausstrahlung. auch die menschen benehmen sich hier anders. dieser tempel hat nichts von einem ausflugsziel, er wird als gotteshaus gelebt. auch das wasserbecken mit den heiligen fischen ist von einer säulenhalle umgeben.

gegenüber vom eingangstor, das 102 verschiedene darstellungen des klassischen indischen tanzes zeigt, stehen die prozessionswagen für die götterfiguren. sie sind aufgebaut wie gapuranis und aus dunklem holz geschnitzt. einmal im jahr kommen sie beim tempelfest zum einsatz.

die halle vor dem schrein der göttin parvati weist archaische deckengemälde aus dem 17. jahrhundert auf, die in ihrer abstraktion sehr afrikanisch anmuten. es ist dunkel, als wir den tempel verlassen und die anstrengung der langen fahrt hat sich in unserem rücken niedergeschlagen. wir sind überwältigt von den eindrücken in diesem tempel.

wir gehörten zu den letzten nicht hinduistischen tempelbesuchern. die verwaltung des tempels ging zwei tage später von den bramahnen an die regierung über, die nichthindus den zutritt zu den heiligtümern verwehrt.

unser hotel beherbergt “die beste bar der stadt” und wir bereden die erlebnisse des tages bei einigen kingfisher strong. auf dieser reise erleben wir seelische wechselbäder zwischen abstossend und beeindruckend. die menschen blieben uns fremd, auf den strassen staut sich der dreck, er wird nicht weg gebracht, aber vor dem betreten eines hauses werden die schuhe ausgezogen. auch der umgang des hotelpersonals mit einer europäerin ist befremdlich. meistens schauen sie mich gar nicht an, bedienen michael zuerst. die mütter in den tempeln wollen aber alle, dass mir ihre kinder die hand geben oder mich anfassen.

 

das sterling swanimalai, unser zu hause für die nächsten tage, ein heritage hotel ist ein wahres freilichtmuseum aus dem 19. jahrhundert. bauernhof, tiere, handwerk, alte gebäudeteile, alles ist hier versammelt, umgeben von saftiger vegetation. das haus unterlieg zwar nicht der prohibition, ist aber rein vegetarisch. unsere gier nach fisch muss noch warten. es versprechen erholsame tage zu werden. je weiter wir ans ende der welt, oder besser in den süden von ostindien kommen umso beeindruckender sind die tempelanlagen und umso weniger menschen sind hier. touristen gibt es kaum mehr.

die tempel in umbahenen haben wieder etwas archaisches und erhabenes. schreine in form von triumphwagen, die von elefanten oder pferden gezogen werden. im inneren ist das fotographieren leider wieder verboten. schade, es sind so schöne säulenhallen, die sich um die schreine winden. bei einem schrein können wir näher kommen. eine riesige vishnufigur lieg auf ihrem lager, flankiert von zwei betenden frauen. wir bekommen eine kelle mit heiligem wasser und ein büschel minze. dass zu diesen tempeln niemand mehr reist ist einerseits sehr schön, andererseits eine schande.

text: suzanne baeumler
fotos: michael harker