indien – eine erste annäherung – kerala

 

unsere erste reise in indien führte uns auf den spuren der alten hinduistischen tempelanlagen in den süden des subkontinents. die reise durch einen teil keralas und tamil nadus war unsere erste annäherung an indien. trotz guter vorbereitung hielt das land für uns seelische berg- und talfahrten bereit. das tagebuch entstand teils während der fahrt, beim frühstück, nach einem langen tag abends an der bar. es zeigt die schwierigkeiten das land und die menschen zu erfassen. lasst euch durch meine anfängliche verunsicherung nicht abschrecken. diese reise hat so lange nachgeklungen und indien zählt zu meinen sehnsuchtszielen – trotzdem und deshalb.
zwei jahre später waren wir wieder in indien – endlich – auf neuen entdeckungstouren.

cochin – ankommen

ankommen ist schwer. nicht nur der körper muss sich gewöhnen, auch der geist und die seele müssen sich zurecht finden. uns erwartet ein ruhiger, gar nicht geschäftiger sonntag. die leute gehen zwar um 5 uhr in der früh in die kirche, aber die läden bleiben zu und es ist allgemeiner familienspaziergang an der promenade angesagt. die dunkelhäutigen frauen tragen alle wunderbare farben, rot- und gelbtöne in allen varianten, zu ihrer dunklen haut und dem pechschwarzen haar eine farbexplosion.wir müssen uns erst orten, zwischen müde, heiss und neugierig und eben erst – ankommen. das abendessen im malabahouse übertrifft alle erwartungen.

der nächste tag beginnt um 6 uhr mit den fischern. wir hatten uns bereits gestern ein lieblingsplätzchen bei den chinesischen fischernetzen gesichert. so konnte michael über die balken klettern, den ultimativen ausblick genießen und natürlich mit zwei kameras festhalten.

nach einem wunderbaren frühstück ( hier lernte ich das bis heute geliebte masala dosa kennen) machen wir uns in komplettausstattung (fahrer und führerin) auf den weg nach montacherry. irgendwie haben wir uns “palast und strassen des jüdischen viertels” grösser vorgestellt. die wandmalerein aus dem16./17. jahrhundert waren wirklich wunderschön – aber der rest. die chinesisch inspirierte architektur des hauses konnte leider nicht besichtigt werden, und die strassen hielten eine touristenfalle nach der anderen bereit, zumindest ist michael noch zuvor an die weissen hemden gekommen, die uns für viele jahre begleiten werden. und wir beide ganz nebenbei zu einem sündhaft schönen bettüberwurf.

mit einem guide durch die stadt zu laufen sollten wir uns wieder abgewöhnen, sie wollen einen immer in “ihre” läden schleppen. unser einkauf von schmiedeeisenrahmen mit tierfiguren, kuhmaske und schaukelpferd scheitert dann doch an den exorbitanten vorstellungen für die transportkosten. ist wahrscheinlich gut so. das allerschönste sind all’ die türen und gebäudeteile, die man hier immer noch erwerben könnte. da genügt kein landhaus, da bräuchte man gleich die scheune dazu.

der abend bei der wunderbaren cross kitchen wird wieder einmal sehr, sehr spät. das muss sich noch ändern. wir lernen den koch kennen, dürfen in die küche und er präsentiert uns die crew. lauter junge inder aus kerala, die grossteils hier ausgebildet wurden. die ganze mannschaft vermittelt, ebenso wie die fischer heute morgen ein schönes gefühl der zusammengehörigkeit. sie haben untereinander einen so freundschaftlichen umgang und eine natürliche freundlichkeit und höflichkeit fremden gegenüber. wir reden noch lange bis in die nacht über die eindrücke, von heute, aber auch über die eindrücke, die uns fehlen. unser bild von indien ist offensichtlich sehr durch die romantizismen und die optik der maharadschzeit im norden geprägt. von alter, authentischer kultur haben wir bis jetzt auch noch nichts mitbekommen. cochin ist voller katholischer kirchen und der charme ist aus der kolonialzeit. ich bin sehr neugirig auf tamil nadu.

coconut lagoon

wir ziehen weiter. eine kurze fahrt, die ich verschlafe, es war zu viel und zu spät, bringt uns ins coconut lagoon. unser ankommen senkt den altersdurchschnitt deutlich. es hat eine traumhafte lage am see, und ununterbrochen treiben die wasserhyazinten die kleinen kanäle entlang – aber indien ist es noch nicht. die indischen touristen wetteifern mit den amerikanern um körperfülle und tellerladungen. schlank ist nur das personal. neben diesen schönen dunkelhäutigen frauen komme ich mir vor wie ein weisser käse. endlich erlebe ich die heiss ersehnte ayurvedamassage mit schwitzbad. es ist wunderbar entspannend. ich werde geölt, geklopft, und bei 42 grad gedünstet wie ein lunch. die haut wird samtig und der geist müde. die abende vergehen nicht ohne den genuss von meeresfrüchten. der hummer hat eine so wunderschöne zeichnung, dass es fast ein jammer ist ihn zu essen. ich komme mit meinen currys und masalas auf meine kosten. das frühstück nehmen wir in der indischen variante, aber nicht in der indischen menge.

den nachmittag am pool verbringe ich mit den mitternachtskindern von salman rushdi. dieses buch übertrifft meine erwartungen bei weitem. ich habe keine so literarische familiensaga, eingwoben in die geschichte indiens erwartet. jetzt verstehe ich trojanows begeisterung für diese buch.

in “the hindu” lesen wir ein interview mit gerd müller – ja der von 1974 – es geht um den aufbau einer fussballakademie in kerala. potential ist sicher vorhanden und der betrieb am beserlpark neben dem malabahouse hat gezeigt, dass sich die jungs leidenschftlich bewegen, egal bei welcher hitze.

fahrt in die backwaters

in der mittagshitze besteigen wir unser kettuvalam. die ursprünglichkeit der reisboote wurde von der fertigkeit indischer innenausbauer verdrängt. rosa bögen, geschnitzte lotusblüten, ein rosa pseudokamin mit fernseher, über dem  – wie sollte es anders sein – ein christusbild thront. mit einem rosenkranz könnte man hier eindruck schinden. wahrscheinlich machen genau diese gegensätze indien aus. am besten jetzt noch ein bollywoodschinken auf dvd und der kitsch ist perfekt.

ein abendlicher ausflug in einem ruderboot bringt uns in die kleinen kanäle vorbei an mengen von kettuvalams. die wasserwege sind zum teil vollkommen mit wasserhyazinten bedeckt, palmengesämt und von reisfeldern umgeben. wie märchenhaft bewachsene dämme trennen sie wasserwege voneinander und von den bebauten feldern. bei einbrechender dunkelheit wird ein vogelbaum bevölkert – unter urwaldähnlichem geschrei.

was im wok brutzelt klingt und schmeckt recht überzeugend, der spontane einkauf von vier grossen garnelen tut das seinige dazu. auch das ersehnte bier muss erst erworben werden.

nach einer gut durchgekühlten nacht wecken mich trommeln. michael erkundet schon seit einer stunde das ungewöhnliche getue. die mädchen betreiben bereits im dunkeln frühsport und ein filmteam bereitet ein set vor.

unsere fahrt geht durch kleinere kanäle vorbei am morgendlichen bad der anwohner. erst einseifen, dann ab in den fluss inmitten der wasserlilien. auch die wäsche wird schon zu früher stunde traktiert und geschlagen. ob der schmutz damit rausgeht? auf alle fälle hält die wäsche nicht sehr lange.
eine zweistündige fahrt bringt uns zurück zu einem stop im malabahouse. auf dem weg dorthin munteres treiben auf den strassen. ein drucheinander von fussgängern, kindern, duk-duks, bussen und das alles in einem abenteuerlichen verkehr. krönung an gelassenheit ist ein elefant, der mit einem palmwedel die strasse kehrt und majestätisch den strassenrand entlang schreitet.

dies ist unser letzer tag in indisch langsamen watschelgang, ab morgen beginnt der tempelrun. ein erholsamer zwischenstop im malabahouse für das lunch. diese dezente mischung aus modern und indisch ist eine zuflucht, auch die küche. das kann nicht indien sein!

text: suzanne baeumler
fotos: michael harker