es gibt die verschiedensten möglichkeiten die sehnsucht nach einem fernen land zu wecken. geschichten, märchen, gerüche, gewürze, literatur. manchmal ist es aber auch nur ein klangvoller und geheimnisvoller name, der das fernweh entstehen lässt.
sansibar ist so ein name voller geheimnisse. er weckt assoziationen an tausend und eine nacht, an sultane, an arabische märkte, vielleicht auch an eine kurze episode kolonialistischer deutscher vergangenheit.
doch sansibar ist viel mehr. von dieser insel brachen forscher und entdeckungsreisende wie burton, speke, livingstone und stanley zu ihren abentueuerlichen expeditionen in das landesinnere von tanganijka auf. die bangen wochen vor ihrer abreise verbrachten sie auf sansibar um träger, helfer und material für die lange, beschwerliche reise zu erwerben, kontakte zu händlern und karawanen aufzubauen und möglichst genaue informationen zu erlangen. die hoffnung auf forschungsergebnisse war ihr begleiter. für viele andere menschen erfüllte sich auf sansibar ein grausames schicksal. als hafen für sklavenschiffe war die insel endstation der langen sklavenzüge aus den verschiedensten teilen des festlandes. hoffnung und hofffnungslosigkeit lagen auf der insel immer nah beieinander. die spuren sind heute noch auf sansibar zu finden. das langsam verfallende livingstone house dient heute als unterkunft für das head tourist office, abschriften der briefe des forschers und seine reiseapotheke bewahrt das örtliche nationalmuseum, ein wahres sammelsurium von versatzstücken aus der geschichte der insel. die livingstone bar und stanley’s bar im baghani hotel in stone town halten die erinnerung an die forscher wach, für die wenigen touristen (1997!) – leider erst ab 18.00. die stätte des ehemaligen sklavenmarktes trägt heute die anglikanische cathedral church of christ, in der sich sonntags eine christliche minderheit versammelt. ihr grundstein wurde 1873 gelegt, dem jahr, als die verschiffung von sklaven aus sansibar auf druck der englischen regierung verboten wurde.
schlendert man durch die altstadt scheint die zeit stehen geblieben, nur der langsame verfall legt sich behutsam über die steinernen mauern, die stone town ihren namen gaben. das typisch arabische, häuser aus stein mit kunstvoll geschnitzeten türen, filigranen holzbalkonen mit reicher ornamentik prägt das bild der engen gassen und lässt vergessen, dass wir in afrika sind. bäume graben ihre wurzeln in die spärliche erde an ruinenmauern und überwuchern die vergänglichkeit mit hoffnungsvollem grün. bautafeln verweisen auf internationale sanierungsprojekte und geben hoffnung für die altstadt. heiteres lachen dringt aus den zahlreichen schulzimmern, denn die fenster haben hier keine scheiben, sondern ornamentale gitter, um die häuser dem wind zu öffnen. nach orientalischer tradition weht ein leichter wind durch alle zimmer und gänge eines hauses und verbreitet trotz der hitze ein angenehmes klima. auf dieselbe weise ist der ehemalige sultanspalast erbaut, ebenso wie das romantische emerson house, heute ein hotel, das mit seiner mischung aus orientalischer pracht und kolonialistischer freiheit reminiszenen an eine vergangene zeit wachruft. von der licht und luftdurchfluteten dachlaterne, die abends als restaurant dient, mit ihrem umlaufenden balkon und den im wind spielenden vorhängen öffnet sich der blick über die ganze stadt. auch der blick in unsere moderne zeit. von hier aus sieht man über den markt der altstadt auf die siedlungen des modernen stadteils, der ngambo mit ihren plattenbauten, relikte eines unterstützungsprojektes der ddr aus den 70er jahren.
doch der ruf des muezins vom minarett zwingt blick und stimmung zurück auf das alte, arabische sansibar. der weg führt uns weiter durch gassen, vorbei an kleinen strassengrills mit gebratenem manjuk und ständen, die frischen zuckerrohrsaft bereiten, hin zum gemüsemarkt. liebevoll mit grossem sinn für ornamentik aufgebaut, finden sich hier alle früchte, die das land bietet. feste geschäfte am rande der marktstände bieten gewürze, getrocknete hülsenfrüchte und reis feil. hier gibt es sie noch, die grossen laden mit gewürzpulver in prächtigsten, an indische seiden erinnernden farben. hier ist nichts abgepackt und sortiert für den eiligen touristen. nelken, pfeffer, ingwer, safran, zimt, muskat, curry, vanille, alles türmt sich unter dem berauschenden duft arabiens in dem winzigen laden. die nelke, unabänderlich verbunden mit dem namen sansibar wurde erst 1818 von sultan sayid said in sansibar und auf der benachbarten insel pemba heimisch gemacht. sklaven vom festland sorgten für anbau und ernte.
die gerüche der fleisch- und fischhalle sind für europäische nasen ebenso gewöhnungsbedürftig wie der anblick der gehäuteten und nur teilweise zerlegten tiere. lärm, gefeilsche und laute rufe liegen über den hohen räumen, die ausser den fensterfronten keine kühlung kennen. unter freiem himmel werden die waren am fischmarkt am alten hafen angeboten. es ist neumond und damit reicher fischfang garantiert. von den anlegeplätzen bis zur hauptstrasse drängen sich karren und stände mit frisch gefangenem fisch und meeresfrüchten. auch hier kommt orientalische ornamentfreude zum ausdruck, akkurat geschichtet präsentieren die fischer ihren fang. für den malerischen hintergrund sorgen die bunt gestrichenen holzsegler, die für die swahili coast typischen dhaus, die im hafen vor anker liegen.
schweren herzens reissen wir uns los in richtung stadt. vorbei am ehemaligen spital der indischen ithnasheri gemeinde. das von aga khan restaurierte gebäude dient heute als kulturzentrum. eine dokumentation veranschaulicht bauweise und restaurierung dieser typischen gebäudeform mit den wertvollen bauschnitzerein. die offene bauweise sorgt dafür, dass uns auch hier der leichte wind vom meer begleitet. ebenso wie in den repräsentativen bauten der sultane vom oman, die 1840 ihren sitz von muskat nach sansibar verlegten. das geschäft mit dem sklavenhandel und der ausbau sansibars zum zentralen hafen ostafrikas mögen mit ein grund gewesen sein.
der ehemalige sultanspalast, heute peoples palace birgt jetzt ein museum. in seinen mauern begegnen wir einer ganz persönlichen episode deutscher vergangenheit. zwischen heinrich ruete, dem agenten einer hamburger handelsgesellschaft und salme, einer der töchter des sultans entwickelte sich eine verbotene liebesgeschichte. eine abenteuerliche flucht führte das paar über aden nach europa. der spätere wunsch der inzwischen verwitweten emily ruete, prinzessin von sansibar, in ihre heimat zurückzukehren, ließ sie 1885 zum spielball in bismarcks kolonialpolitik werden.
wertvolle einblicke gewähren die erinnerungen an die kindheit und jugend im sultanspalast. bis 1964 wurde der palast vom sultan und seiner familie bewohnt. in den räumen findet sich ein unbeschreibliches durcheinander orientalischer und europäischer einrichtungsgegenstände, englischer uhren, zweitem rokoko bis hin zu jugendstilmöbeln und einem nierentisch aus den 50er jahren. elektrisches licht und bäder mit fliessendem wasser waren in diesem “gründerzeit-palast” selbstverständlichkeit.
im selben jahrzehnt entstand er palast beit-el-ajaib, das haus der wunder – gerne würde ich es haus der winde nennen – mit seinen filigranen umlaufenden säulen. angeblich hatte es den ersten elektrischen aufzug sansibars. lange jahre als parteizentrale der ccm verwendet, ist es heute (1997) nur an der aussenfassade restauratorisch gesichert und leider unzugänglich. das pulsierende leben, das man sich für dieses gebäude wünscht, findet man abends im jamituri garden. mit hereinbrechen der dämmerung beginnt emsiges treiben entlang des küstenstreifens. neben den obligaten souvenirständen, deren besitzer jedes verweilen zu einem gespräch nutzen, gibt es eine fülle kleiner grills und garküchen, die spiesschen verschiedenster art, raffinierte saucen, gefüllte teigtaschen, gebratenes gemüse und frische säfte feilbieten. hier gibt es nicht viele touristen, die von den gerüchen angezogen werden. verschleierte frauen, kinder gehören zu den kunden, junge einheimische geniessen den hereinbrechenden abend, unbeschwert und ausgelassen baden halbwüchsige in der hafennahen bucht, fröhlicher lärm mischt sich mit der melacholischen stimmung der hereinbrechenden nacht.
am nächsten morgen bringt uns eine kleine, nicht mehr ganz taufrische chesna zurück nach dar es salaam. noch ein blick zurück auf diese verwunschene insel, mit der hoffnung sie möge weiterhin von touristenströmen verschont bleiben. was bleibt ist die erinnerung, ein gut gefülltes gewürzregal, das beim öffenen der gläser den duft der märkte verbreitet und der geheime zauber des verwunschenen landes, der die sehnsucht mit jedem kilometer, den wir europa näher kommen wachsen lässt.
text: suzanne baeumler fotos michael harker